CD-Taufe 2004
St. Galler Tagblatt vom 14. Dezember 2004
Lebendige Begeisterung für Gospel
Erfolgreiche Gospel-Party zur CD-Taufe - Misstöne gab es nur am Rande
STEFAN HAUSER
Flawil. Wer will, kann sich den Gospelchor Flawil in die gute Stube holen: Die Sängerinnen und Sänger unter der Leitung von Urs Leuenberger haben ihre erste CD veröffentlicht und den Silbering mit einer zünftigen Party gefeiert.
In der Tonhallenluft lag am Samstagabend frischer Farbgeruch - aber nicht nur: Viel Vorfreude war auch auszumachen. Schliesslich war der Anlass vollmundig angekündigt worden. Kabaret sollte zum Lachen animieren, Jazz und feine Piano-Töne musikalisch begeistern und nicht zuletzt sollten Schwung und Schmiss des Flawiler Gospelchores zum Mitklatschen und Mitwippen bewegen.
Gut besuchte Tonhalle
Ein Musikgehör für so viel Musik- und Kulturgenuss hatten am Samstagabend zahlreiche Flawiler. Zwar nicht bis auf den allerletzten Platz, dennoch aber gut gefüllt präsentierte sich die Tonhalle, die nach Facelifting und Pinselrenovation wieder in etwas hellerem Glanz zu strahlen vermochte. Dass sie alt ist, die Flawiler Tonhalle, liess sich aber dennoch nicht verleugnen. Das tat der guten Stimmung indes keinen Abbruch. Durchs Programm führte der Schlagzeuger der Gospelchor-Begleitband, Tobias Fischer. Und er durfte verschiedene Künstler ansagen: Elias Bernet, «Casa Jazz», Andreas Baumann und Patrick Frey gab es zu sehen und zu hören, ehe der Gastgeber selber, der Gospelchor Flawil, aus dem Saal auf die Bühne strömte. Und wenn es am Abend auch einzelne Misstöne gab (siehe «Nicht nur Gelächter»): Der Abend hielt was die Ankündigung versprochen hatte.
Lob vom Chlaus als Pate
Vor sieben Jahren wurde der Gospelchor Flawil aus der Taufe gehoben, hervorgegangen aus einem Projekt der Jugendarbeit der Evangelischen Kirchgemeinde. Und nun konnte der Chor seine ersten professionellen Tonaufnahmen präsentieren. Zahlreiche Balladen seien darauf zu hören, aber auch einige wenige rhythmusgeprägte, schnellere Gospelstücke, führte Chorleiter Urs Leuenberger aus und erklärte schmunzelnd: «Da haben sich bei der Stückauswahl nicht die Männer, sondern die Frauen durchgesetzt.» Zu hören gab es am Samstagabend zahlreiche Stücke dieser ersten CD, aber auch verschiedene andere Stücke aus dem mittlerweile umfangreichen Repertoire der Sängerinnen und Sänger. Dabei wurde das Gebotene dem Ruf des Gospels als mitreissende, lebendige Musik vollauf gerecht: Von starken Solo-Stimmen geprägt und vom soliden Spiel der Band getragen, war den Chormitgliedern die Freude an der Musik, nein, an ihrer Musik deutlich anzusehen und auch anzuhören: Mitklatschen war quasi Pflicht am Samstag in der Tonhalle. Für den CD-Taufakt stand - wie könnte es auch anders sein - der Samichlaus mit zwei schwarzen Gesellen Pate. Nicht zum Rügen war er gekommen, sondern zum Loben, und das reichlich: «Was Urs Leuenberger und mit ihm der ganze Chor macht, begeistert und reisst mit.»
Missgeschicke und Dank
Dieses Lob wurde von den Chormitgliedern bestätigt: In einem selbst geschriebenen Lied dankten sie Leuenberger für seinen unermüdlichen Einsatz. Dabei liessen sie es sich nicht nehmen, in der einen oder anderen Liedzeile auch aus dem Choralltagsnähkästchen zu plaudern: Missgriffe am Klavier, Stolperfallen der englischen Sprache, Kreditkartenmissgeschicke in den Spanienferien nach den anstrengenden CD-Aufnahmen - kleine Fettnäpfchen, sympathisch vorgetragen und mit einem grossen Dank abgeschlossen: «Äs isch supermegalässig mit dir z'singä!» Diese Liedeinlage war für Leuenberger eine Überraschung, doch auch für den Chor selber gab es eine solche: Als Überraschungsgast liess es sich auch der Gospelchor Gossau nicht nehmen, zur CD zu gratulieren und einige Stücke zum Besten zu geben. Trotz der geografischen Nähe nicht als Konkurrent, sondern in friedlichem Mit- und Nebeneinander, verbunden durch die Begeisterung für Gospelmusik.
Nicht nur Gelächter
Bekannt aus «Victors Spätprogramm» und der Serie «Lüthi und Blanc», präsentierte der Kabarettist Patrick Frey ein sprachliches Experiment mit der Weihnachtsgeschichte aus der Bibel. Silbenverdoppelnd und mit einigem Zungenbrecherpotenzial erzählte er in leicht abgewandelter Version von den weihnachtlichen Geschehnissen. Lachen im Saal - aber nicht nur: Einige protestierten lautstark gegen die «Verunglimpfung» des Bibeltextes: «Es isch e Schand!». Einzelne verliessen den Saal. Humor oder nicht? Respektlosigkeit vor der Bibel oder nicht? Freys provokativer Auftritt schied die Geister.
Keine Zwischenrufe gab es beim Auftritt von Andreas Baumann alias Bruno Brauchli. Der Kabarettist erzählte schalkhaft schüchtern und verschmitzt aus seinem Leben und wie eine Bundeswehrhose und ein Rüpel namens Rogers selbiges veränderten. Ärger mit «den hohen Tieren» im Gemeindehaus stand ihm und seinen Meerschweinchen dann bevor: ein langer Weg durch den Bürokratiedschungel mit Stempel- und Gebührenmarathon.
Flinke Finger am Piano
Die Formation «Casa Jazz», ein Trio um Andi Hafner, eröffnete das Rahmenprogramm des Abends mit gekonntem Spiel und feinen Klängen. Wenn auch die Töne leider bisweilen im angeregten Geplauder in der gut gefüllten Tonhalle unterzugehen drohten, wussten die drei Musiker doch zu gefallen.
Begeisterung weckte anschliessend der Auftritt von Elias Bernet. Der erst 20-jährige Pianist entpuppte sich als wahrer Meister der Tasten: Mit flinken Fingern präsentierte der Musiker ein starkes Kontrastprogramm aus schwermütig-melancholischen Bluesstücken und lebensfroh-beschwingten Liedern aus der Boogie Woogie-Ecke. Mit beiden Händen, mit Ellenbogen oder mit den Füssen spielend, vor oder hinter dem Klavier stehend: Das Nachwuchstalent, das auch schon bei verschiedenen Fernsehauftritten zu glänzen wusste, zeigte sich als virtuoser Derwish der schwarzen und weissen Tasten. Und nach einem Griff zur Mundharmonika liess er sich auch den Gang mitten in den Saal und zwischen die Tischreihen nicht nehmen.